Die farbige Schwarzweißsesamstraße

Die folgende kleine Anekdote ist mir neulich wieder eingefallen.

Als ich ein kleiner Dötz war, hatten meine Eltern lange Zeit nur einen Schwarzweißfernseher. Meine Großeltern hatten allerdings schon länger einen Farbfernseher. Irgend eines schönen Abends blieben wir mal so lange bei den Großeltern, dass wir uns die Sesamstraße auf ihrem Farbfernseher ansahen. Natürlich kannte ich die Sesamstraße schon: Samson, Tiffi, Horst und Lilo, Herr von Bödefeld, Ernie und Bert und so weiter… aber bis dahin hatte ich alles immer nur in Schwarzweiß gesehen.

Zwei Tage später durfte ich zu Hause unseren Fernseher für die Sesamstraße einschalten, und ich bin mir bis heute sicher, dass ich diese eine Sendung in Farbe gesehen habe: Tiffy war rosa, Samson war braun, Ernie war rot und Bert war gelb. Dabei war es der gleiche Schwarzweißfernseher wie eh und je.

Zusätzlich paradox daran: Es war nur diese eine Sendung, die ich in meiner Erinnerung auf dem Schwarzweißfernseher in Farbe gesehen habe. Einen weiteren Tag später war wieder alles ganz normal schwarzweiß gewesen, und da war ich sogar noch meinen Eltern auf die Nerven gegangen, damit sie mir die Farbe wieder einschalten …leider ohne Erfolg. (Wer hätte das gedacht?)

Liebe junge Leute von heute, zum Kontext dieser Geschichte sei noch gesagt, dass es in der damaligen Zeit nicht nur schwarzweißes Fernsehen gab, sondern außerdem schaltete man auch bewusst das Gerät für eine einzelne Sendung ein und danach wieder aus.

Natürlich ist es in jeglicher Hinsicht unmöglich, dass der Schwarzweißfernseher wirklich ein farbiges Bild gezeigt haben kann, und rationale Erklärungen, wie so eine offensichtlich falsche Erinnerung zustande kommen kann, liegen auf der Hand. Aber ich nehm’s jetzt mal wieder als Beispiel für die Fotografie her, wie sehr sich Wahrnehmungen und Erinnerungen aufgrund individueller Kontexte oder Erlebnisse unterscheiden können.